“Lernen muss Spaß machen” - ein Schlagabtausch

2018-09-20

Erinnern Sie sich noch an diesen langweiligen Lehrer, der Ihnen ein Schulfach vermieste, das ansonsten vielleicht Ihr Lieblingsfach geworden wäre? Oder denken Sie manchmal an einen anderen, dessen Unterricht Ihnen so viel Freude machte, dass Sie die Folgestunde bei ihm kaum abwarten konnten?

Jeder von uns kennt solche Lehrkräfte, denen es leichtfiel, unsere Aufmerksamkeit zu bekommen und andere, die an dieser Aufgabe grandios gescheitert sind. Aber warum gelingt den einen, was die anderen nicht schaffen? Lag es einfach nur am Spaßfaktor, wie einige Experten auf Europas wichtigster Konferenz für technologiegestützte Aus- und Weiterbildung im Dezember erklären werden, um diese Debatte anzuheizen?

Auf der OEB Global in Berlin vom 5. bis 7. Dezember werden Fachleute aus Bildung, Forschung und Wirtschaft im Rahmen der OEB Plenary Debate die These “Jede Lernerfahrung muss Spaß machen” diskutieren. Vielleicht sind wir im Zeitalter von VR und digitalen Lernspielen endlich in der Lage, jeden Lernprozess zugleich als Akt der Freude für die Lernenden zu gestalten.

Aber hat Lernen nicht zu viele Facetten, als es lediglich auf den Spaß zu reduzieren? Und ist eine Schule nicht weit mehr als ein Theater oder ein Spielplatz? Wie steht es um Tugenden wie Disziplin, Selbstbeherrschung oder gewissenhafte Sorgfalt? Bedeutet erfolgreiches Lernen nicht unweigerlich auch, einige Dinge tun zu müssen, die dafür grundlegend und notwendig sind, aber keinen Spaß machen?

Zwei Gruppen von Vortragenden werden zentrale Fragen in diesem Zusammenhang auf der OEB Global verbal ausfechten. Der Schlagabtausch findet auf dem Podium vor hunderten von Bildungsexperten, Managern und Edtech-Entrepreneuren statt. Insgesamt werden auf dem Großevent mit Konferenz und Ausstellung wie in jedem Jahr über 2000 Teilnehmer erwartet.

Letztlich geht es laut den radikalen Lernspaß-Befürwortern immer darum, was “Spaß” bedeutet. Elliott Masie, Gründer des Learning Consortium und Leiter des Masie Centers, ist überzeugt: “Der Schlüssel dieses Verständnisses liegt darin, Spaß als von Neugier getriebenes Engagement und als Herausforderung zu begreifen.”

Masie wird in seiner Haltung unterstützt vom Blogger Benjamin Doxtdator, der als Lehrer an der International School in Brüssel tätig ist. “Im Lernen liegt ein subversives Potenzial, das Freude auslösen kann”, sagt er. “Schulunterricht kann aber ebenso trocken und emotionslos ablaufen. Statt Schüler stumpf Lernstoffe pauken zu lassen und sie sozusagen 'glattzuschleifen', haben wir als Lehrer die Chance, in Klassenräumen eine freundliche, zugewandte und integrative Lernatmosphäre zu schaffen. Wir haben sogar die Pflicht, den Schülern dabei zu helfen, Spaß am Lernen zu empfinden.”

Derartige Aussagen lösen bei den Kontrahenten auf der Gegenseite jedoch spöttische Kommentare aus. “So wie die Lebensmittelindustrie uns zuckerhaltige Nahrung ohne Wert für die Ernährung andreht, werden wir jetzt schuldig dafür gesprochen, dass wir Lernspiele aus dem Unterricht verbannen, die Spaß bringen, aber keine Lerneffekte erzielen“, entgegnet Alex Beard, Pädagoge, Autor und Direktor des Bildungsnetzwerkes “Teach for All” in Großbritannien. Und fährt fort: “Wer etwas erreichen will, muss hart dafür arbeiten. Das gilt auch für den Erwerb von Wissen. Schon Aristoteles wusste vor 2500 Jahren: 'Lernen hat bittere Wurzel, aber es trägt süße Frucht'.”

Seine Mitdiskutantin ist die Lerndesignerin Patti Shank, Vorsitzende von Learning Peaks. Sie glaubt ebenso wenig an leichte Wege zum erfolgreichen Lernen. “Führende Lernforscher wie K. Anders Ericsson, Robert Glaser oder Michelene Chi legen uns dar, wie schwierig es ist, eine hohe Leistungsfähigkeit zu erreichen”, führt sie aus. “Fragen Sie irgendeinen Experten danach, wie er dazu geworden ist, und er wird wahrscheinlich von der dafür nötigen Zeit und Anstrengung berichten. In heutigen schnelllebigen, auf Reaktionsschnelligkeit getrimmten Organisationen sind weitreichende Fähigkeiten und Performance-Qualitäten gefragt, um erfolgreich zu bestehen. Wir sind auf Lernstrategien angewiesen, die solche Entwicklungen ermöglichen. Die Kognitionswissenschaft und Pädagogische Psychologie zeigen uns, dass spaßgesteuerte Lernkonzepte oft denjenigen widersprechen, die eine starke Leistungsfähigkeit zum Ziel haben. Es ist höchste Zeit, dass wir das tun, was nötig ist, was funktioniert und Organisationen zukunftsfähig macht. Märchen und Folklore haben dabei nichts zu suchen.”

Das Streitgespräch wird der ehemalige britische Parlamentsabgeordnete Harold Elletson leiten, der eine kompromisslose Auseinandersetzung um die besten Argumente erwartet. “Beide Seiten vertreten eindeutige und unnachgiebige Positionen”, erklärt er. “Sie werden sich nichts schenken und mit schweren verbalen Geschützen aufwarten. Es wird ein rücksichtsloses, brutales Wortgefecht geben – aber wahrscheinlich auch die beste Diskussion, die je auf einer OEB geführt worden ist. Und ich wage zu behaupten: Es wird gleichzeitig ein großer Spaß!”

Weitere Informationen zur OEB Plenary Debate und über die Konferenz finden Sie auf der Webseite www.oeb.global

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